Eisbär im Fischernetz & Eisbär ohne Scholle

Am 26. März tauchte unsere Oberstufe einmal in eine ganz andere Welt ein – in eine sehr kalte. Und das passte auch hervorragend. Nicht nur war der Freitag zuvor der internationale Tag der Gletscher gewesen. Das gesamte Jahr 2025 wurde von den Vereinten Nationen als das „Jahr der Gletscher“ ausgerufen. Da lohnte es sich durchaus, eine Region kennenzulernen, die davon besonders viele zu bieten hat.

Dazu besuchte uns die Journalistin Birgit Lutz, die – seitdem sie 2007 erstmals auf einem Atomeisbrecher arktische Luft schnuppern durfte – auf die hohe Arktis spezialisiert ist. Seither führt sie nicht nur regelmäßig Expeditionen dorthin durch, sondern widmet sich dabei u.a. auch zwei sehr brisanten Themen, die sie unseren Schülerinnen und Schülern näher brachte:

Unsere elfte Jahrgangsstufe hörte einen Vortrag zum Thema Plastikmüll in der Arktis während die zwölfte Jahrgangsstufe etwas über die Auswirkungen des Klimawandels im hohen Norden erfuhr.

Zur Einstimmung reisten beide Stufen gedanklich mit Frau Lutz nach Spitzbergen, zunächst in einer reiseprospektanmutenden Drohnenaufnahme, welche den Schülerinnen und Schülern eine Region präsentierte, mit der sie im Geographieunterricht bisher nur wenig in Berührung gekommen waren. Kurz darauf folgten allerdings andere Bilder – nämlich die der Realität.

Im Plastikvortrag zeigte sie beispielsweise das Foto eines Eisbären, der in den kaum sichtbaren Seilen eines Fischernetzes gefangen ist und dadurch an dieser Körperstelle nicht weiter wachsen kann.

Bilder wie solche waren der Aufhänger, um interaktiv mit den Jugendlichen das Thema Plastikmüll zu behandeln. Es wurden Meeresströmungen aufgezeigt, welche den Müll aus dem ganzen Atlantik an dieser entlegenen und nur dünn besiedelte Region anspülen. Anhand einer sehr eindrücklichen Grafik  wurde aufgezeigt, wie lange unterschiedliche Plastikprodukte im Meer verbleiben, bis sie durch die Einwirkung von Sonne und Salzwasser in kleinste Partikel zerfallen sind: Ein Coffee-to-go-Becher, den ein Konsument vermutlich im Schnitt 15 Minuten verwendet, verbleibt beispielsweise ca. 50 Jahre im Meer, bevor er in Mikroplastik zerfällt. Über die Nahrungskette gelangen diese Mikropartikel schließlich in unsere Körper und können hier u.a. Auswirkungen auf das endokrine System haben. Beim Anblick der Küsten Spitzbergens kam Frau Lutz die Idee, gemeinsam mit der Besatzung ihrer Expeditionsschiffe regelmäßig die Strände vom Plastik zu befreien. Daraus initiierte sie schließlich ein Citizen-Science-Projekt mit dem Alfred-Wegener-Institut. Die daraus resultierenden Ergebnisse haben es sogar schon bis in die Vereinten Nationen geschafft. Denn in dieser Region waren zuvor kaum Daten erhoben worden.

Zersetzungszeiten von Müll im Meer (Quelle: Statista)

Der Vortrag für die zwölfte Jahrgangsstufe war zwar weniger interaktiv, eröffnete den Jugendlichen aber sicherlich eine etwas alternative Perspektive auf den Klimawandel. Frau Lutz erzählte hier beispielsweise sehr detailliert von der ersten Lawine, die in dem Ort Longyearbyen auf Spitzbergen jemals abgegangen war (Weihnachten 2015) und Häuser komplett mit Schnee befüllt und sie um 20-30 Meter verschoben hatte. Davor hatte es hier nie Lawinenabgänge gegeben. Oder aber auch von Sturmfluten, die neuerdings zur Bedrohung für küstennahe Wohnhäuser der Insel geworden sind. All dies hat mit dem Klimawandel zu tun, der an extremen Orten immer am deutlichsten zu spüren ist. Die Durchschnittstemperatur Spitzbergens hat sich in den letzten 30 Jahren um 6°C erhöht. Durch das abschmelzende Treibeis geht ein natürlicher Küstenschutz verloren. Ebenso verlieren Eisbären durch den Rückgang des Pack- und Treibeises Lebensraum. Besonders im Gedächtnis bleibt vermutlich auch die Anekdote über einen robusten niederländischen Wissenschaftler, der seit vielen Jahren auf der Insel forscht und von den eigenen Ergebnissen und der dennoch fehlenden Reaktion der Politiker so frustriert ist, dass er in einem Interview sogar einmal in Tränen ausgebrochen sein soll. Im zweiten Teil des Vortrags ging es schließlich darum, wie der Klimawandel in den Medien dargestellt und wie beispielsweise die „Doubt-Strategie“ im Marketing genutzt wird. Auch der ökologische Fußabdruck, nämlich dessen Herkunft und Wirkung wurde kritisch unter die Lupe genommen. Frau Lutz stellte die These, dass beim Thema Nachhaltigkeit gerne die Verantwortung an jeden einzelnen abgeschoben wird, vielleicht um von den eigentlichen Verantwortlichen abzulenken? 

Am Ende beider Vorträge widmete sich Birgit Lutz möglichen Handlungsfeldern. Dabei ging es nicht nur um die üblichen alltäglichen Tipps, die den Oberstufenschülern bereits bekannt waren, sondern auch darum, dass ein Engagement auch über die individuelle Ebene hinaus möglich und sogar realistisch ist, vielleicht sogar über einen entsprechenden Berufswahl nach dem Abitur. Auch riet Frau Lutz, gut überlegt das Kreuz zu setzen bei jeglichen Wahlen, bei Geldanlagen nachhaltige Banken zu wählen und  sich mit Gleichgesinnten zu verbinden, so wie es der Fridays-for-Future-Bewegung gelungen ist. Denn es passiert ja schon viel Gutes, was wir auch in den zahlreichen „Good News“ lesen können. 

Nichtsdestotrotz sollten wir unser eigenes Konsumverhalten immer kritisch hinterfragen, und uns stets – so wie es Gerhard Polt kurz und knackig formulierte – fragen: „Braucht’s des?“

Wir danken Frau Lutz für ihre sehr persönlichen und ehrlichen Einblicke in ihre Arbeit!

(Weitere Informationen zum Thema Plastikmüll: Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung: https://www.boell.de/sites/default/files/2019-11/Plastikatlas_2019_3._Auflage.pdf)

Text: Sarah Teubel

Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Birgit Lutz

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