Suchtprävention im kbo Isar-Amper-Klinikum München-Ost

Nach zweijähriger pandemiebedingter Pause konnte in diesem Jahr wieder unsere Suchtpräventions-Exkursion in die forensische Psychiatrie des kbo Isar-Amper-Klinikums München-Ost stattfinden. 

Im Zentrum der Veranstaltung standen die im Klinikum untergebrachten Patienten, die in einem von Ärzten und Psychologen angeleiteten Gespräch über ihre eigene Biographie und die Geschichte der Entstehung und Auswirkungen ihrer Suchterkrankung erzählten. Die Schülerinnen und Schüler hatten dabei die Gelegenheit, Fragen an die Patienten, Ärzte und Psychologen richten zu können. 

Wir durften das Klinikum in diesem Jahr mit zwei 9. Klassen besuchen. Nach unserem Eintreffen gab es vom zuständigen Oberarzt jeweils zunächst eine kurze Einführung zum Maßregelvollzug, der die Grundlage der Unterbringung der Patienten darstellt. Dabei sind die Patienten meist aufgrund von Drogendelikten oder damit in Zusammenhang stehender Beschaffungskriminalität in Haar untergebracht und haben die Möglichkeit, eine Suchttherapie zu besuchen. Häufig haben die Patienten bereits mehrere Gefängnisaufenthalte hinter sich, wobei diese zwar als Bestrafung dienen, jedoch wenig zur Heilung der Suchterkrankung beitragen. Ziel der Unterbringung in Haar dagegen ist die Rehabilitation. Dabei werden mehrere Lockerungsstufen durchschritten, wobei die Patienten zu Beginn in der Hochsicherheitsstation untergebracht sind und dann eine stufenweise Lockerung erfolgen kann, sofern sie eine gute Prognose attestiert bekommen. So erhalten die Patienten die Möglichkeit, in Begleitung Geländeausgänge zu machen um Einkäufe zu tätigen und Arbeitstherapien zu besuchen. Weitere Lockerungsstufen ermöglichen im weiteren Verlauf unbegleitete Ausgänge und am Ende Probewohnen und das Aufsuchen einer regulären Arbeitsstätte.

Nach der kurzen Einführung traf jeweils der von den Therapeuten ausgewählte Patient ein.

Am ersten Besuchstag handelte es sich um einen 35 jährigen Patienten, der bereits im frühen Alter mit dem Rauchen begonnen hatte, es folgten der Konsum von Alkohol und weiterer Drogen. Zuletzt konsumierte er regelmäßig Heroin. Bereits mit 15 Jahren absolvierte er seinen ersten Drogen assoziierten Gefängnisaufenthalt, insgesamt war er bisher 13 Jahre in Haft. Früh brachen die Kontakte zu ehemaligen Freunden und Familie ab, sie wurden ersetzt durch Kontakte zu Gleichgesinnten, deren primäres Ziel die Beschaffung von Drogen war. Auch nach den Gefängnisaufenthalten war er schnell mit der Situation in Freiheit überfordert und rutschte wieder in die Sucht ab. Sein Traum ist es nun, nach der erfolgreichen Therapie Arbeit zu finden und ein geregeltes Leben führen zu können.

Der Patient am zweiten Besuchstag begann erst im Alter von Mitte 20 mit dem Konsum von Drogen, Einstiegsdroge war Marihuana, zuletzt konsumierte er Kokain, 1-2 g pro Tag. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen stellt dies auch einen enormen Kostenfaktor dar, sind mit Kosten von bis zu 200 € pro Tag zu rechnen. Da diese auf legalem Weg und regulärer Arbeit praktisch unmöglich zu decken sind, ist der Weg in die Kriminalität vorprogrammiert. Dabei lässt die Qualität des Kokains häufig zu wünschen übrig, wird es mit diversen Stoffen von Milchpulver über Koffein bis hin zu Rattengift gestreckt. 

Außergewöhnlicherweise führte er bis zu seiner Inhaftierung noch ein halbwegs geregeltes Leben und wohnte noch mit seiner Freundin zusammen. Auch zu seiner Familie pflegte er noch sporadischen Kontakt. Möglich wurde dies durch ein fragiles Lügenkonstrukt, das er sich über längere Zeit aufgebaut hatte. Mit einem Schlag fiel dieses jedoch in sich zusammen, als es um 6:00 Uhr an der Tür des Patienten klingelte. Polizisten standen vor seiner Tür und der Weg führte direkt ins Gefängnis. Die schlimmste Zeit seines Lebens brach für ihn nun an, war mit einem Schlag sämtlicher Boden unter seinen Füßen weggerissen. Nun hofft auch er auf einen Erfolg der Suchttherapie und auf ein normales Leben danach. 

Immer wieder wurden Fragen eingeworfen, nicht nur beispielsweise zur Biographie der Suchtpatienten oder dem Alter der in der forensischen Psychiatrie untergebrachten Patienten, sondern auch zu aktuellen gesellschaftlichen Themen in diesem Kontext wie die Legalisierung von Cannabis mir ihren Pros und Contras. Letztere wurden vom zuständigen Oberarzt kontrovers diskutiert. Zugleich fand auch Berufsorientierung statt, wurden auch Fragen über das Medizinstudium und die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus geklärt. 

Insgesamt handelte es sich um eine vielschichtige Veranstaltung, bei der auch die Patienten die Gelegenheit hatten, etwas weiterzugeben und helfen zu können. Eine Erfahrung, die für die meisten bisher kaum so erfolgt war. Für unsere Schülerinnen und Schüler auf der anderen Seite, aber auch für uns begleitende Lehrkräfte war es ein eindrucksvoller Einblick in die Abgründe, die sich durch die Folgen einer Suchterkrankung öffnen. Diese selbst zu umschiffen, sollte sich automatisch als Ziel daraus ableiten.Martin Steinböck